Vom Fitnessstudio zum Gesundheitsanbieter – Aus Patienten Kunden machen!
Der Trend, dass Fitnessstudios sich zunehmend als Gesundheitsanbieter positionieren, ist eine spannende und logische Entwicklung des demographischen Wandels. Hinzu kommt, dass ein zunehmender Anteil der Bevölkerung erkennt bzw. erkannt hat, dass jeder für seine Gesundheit selbst verantwortlich ist – und bereitwilliger als noch vor einigen Jahren in entsprechende Angebote investiert. Obwohl es vermutlich immer noch ein Bruchteil von dem ist, was die Menschen für Urlaub und Autos ausgeben.
Hier könnte aber auch die Politik ihrer Verantwortung den Bürgern gegenüber gerechter werden. Denn nach wie vor werden die höchsten Beträge in Europa in das „Gesundheitssystem“ gepumpt, das eigentlich ein „Krankensystem“ ist, denn es werden vornehmlich Krankheiten bekämpft, anstatt zu verhindern, dass Menschen krank werden. Und trotz dieser hohen Summen im Gesundheitsmarkt sinkt die Lebenserwartung in Deutschland im Gegensatz zu den Nachbarn stetig.
Letztlich bedeutet dieser Umstand, dass viel mehr in Prävention investiert werden muss. Da sind die Krankenkassen gefordert, entsprechende Angebote viel stärker zu subventionieren. Das würde natürlich der Fitnessbranche zu Gute kommen.
Die Branche beschäftigt dieses Thema nun bereits einige Jahre. Schon im Jahr 2009 war der Slogan auf unserem Messestand der FIBO „Fitness goes Health“. In den letzten Jahren wurde dieser Trend auch mit dem Begriff „Medical Fitness“ umschrieben. Eine allgemeingültige Definition dazu gibt es aktuell nicht. Man kann aber vereinfacht sagen, dass es sich dabei eben nicht um Lifestyletraining oder Leistungssport handelt, sondern dass sich die Trainingsziele um Prävention, Wohlbefinden oder „Return to Activity“ drehen. Schaut man sich aktuelle Trainings- oder Therapieangebote an, erkennt man hier einen breiten Markt, der wächst. Angebote für diese Zielgruppe gibt es bei verschiedenen Dienstleistern:
Ist es der Fitnessbanche flächendeckend gelungen, diese Zielgruppe wirklich seriös und vertrauenswürdig abzuholen?
Ich denke es sollte erlaubt sein, hier mal etwas kritisch zu sein. Ich glaube wir können heute sagen, dass es nicht ausreichend war, seinem Studionamen in einen Gesundheitstitel umzubenennen oder diesen mit einem entsprechenden Zusatz zu erweitern und sich eine High-Tech Körperanalyse Waage anzuschaffen. Es wurde unterschätz die Zielgruppe der „Silver Ager“ und Menschen mit Vorerkrankungen seriös und kompetent abzuholen. Ich persönlich trainiere seit über 12 Jahren in den Wintermonaten in einer vermeintlichen Premiumanlage, der es ausstattungsmäßig und vom Kursangebot an nichts fehlt. Es gibt eine angebundene Physiotherapie, die man auf der Fläche aber nur wahrnimmt, da vereinzelt Personen aus der beschriebenen Zielgruppe begleitet mit einem Physiotherapeuten trainieren, was allerdings nicht geschafft wurde, ist die Zielgruppen in der Breite ins Studio zu bekommen.
Wenn man sich die Veränderungen unserer Branche in den letzten Jahren anschaut, kann man deutlich erkennen, dass die klassischen inhaberbetriebenen Studios immer weniger werden. Es gibt 2 Bewegungen im Markt, zum einen die deutliche Zunahme im Discount und ganz aktuell auch den personenlosen Einrichtungen, sowie eine Zunahme der Einrichtungen im Mikro- und Spezialisierungsbereich.
Gerade die inhaberbetriebenen Einrichtungen, mit Ihrem individuellen Charme und Betreuungskonzept, wo der Inhaber die Mitglieder noch mit Vornamen begrüßt, werden immer weniger. Wären es doch vermutlich genau die Gruppe, die die „Silver Ager“ am besten abholen würden. Ich denke man muss auch der Tatsache ins Auge schauen und sich eingestehen, dass man einen großen Teil dieser Zielgruppe an den 2. Gesundheitsmarkt verloren hat. Denn die Physiotherapie hat erkannt, dass es durchaus wirtschaftlich ist, die klassische Physiotherapie, um eine Trainingsfläche zu erweitern. Bei dem täglichen Patientendurchlauf, besteht relativ einfach die Möglichkeit mit Kompetenz und Vertrauen für diese Angebote zu werben.
Also zusammenfassend muss man erstmal erkennen, dass es kein Selbstläufer ist, diese Zielgruppe mit seriösen Angeboten abzuholen. Folgende Grundvoraussetzungen oder Fragen müssen aus meiner Sicht geklärt und geschaffen werden, um entsprechende Gesundheitsdienstleistungen für diese Zielgruppe anbieten zu können.
1. Habe ich das richtige Personal, um diese Zielgruppe bedienen zu können?
Um diese Zielgruppe seriös betreuen zu können, ist eine gute Grundqualifikation des Personals eine der wichtigsten Erfolgsschlüssel. Viele Fitnessstudios beschäftigen nicht umsonst zunehmend Fachpersonal wie Physiotherapeuten, Ernährungsberater und Sportwissenschaftler. Des Weiteren muss die Einstellung zu dieser Zielgruppe stimmen. Habe ich Lust mit diesen Menschen zu arbeiten? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man von dieser Zielgruppe sehr viel Dankbarkeit und Wertschätzung entgegengebracht bekommt und sie bei guter Arbeit schnell zu sogenannten Fans und treuen Mitgliedern werden.
2. Was für Kooperationspotenzial gibt es in der Umgebung?
Des Weiteren sollte man schauen, mit welchen Gesundheitsanbietern ich in der näheren Umgebung zusammenarbeiten kann. So kann man z.B. bei ortsansässigen Orthopäden vorstellig werden und seine Gesundheitsangebote vorstellen. Auch Kooperationen mit Klinken oder anderen Gesundheitseinrichtungen machen Sinn. Auch in die andere Richtung gibt es zahlreiche Möglichkeiten, dass es auch für den Arzt eine Win-Win Situation darstellt. Mit dem Personal fällt und steht die Betreuung dieser Zielgruppe
3. Habe ich das passende Angebot?
Die Einrichtung muss sowohl im Trainings- und im Kursangebot ganzheitlich aufgestellt sein. Ein vollautomatischer Trainingszirkel oder klassische Trainingsgeräte, um untrainierte und Personen mit Vorerkrankungen an Training heranzuführen, spezielle Kleinequipment für diese Zielgruppe muss vorhanden sein, Trainingsmöglichkeiten für Mobilität – und Dehnungstraining usw. Kursangebote, die auf Prävention und Rehabilitation abzielen, sind sehr sinnvoll. Dazu gehören auch Programme zur Rückenschule, Herz-Kreislauf-Training und spezielle Kurse für Senioren oder Menschen mit chronischen Erkrankungen. Diese Kurse sind oft in Zusammenarbeit mit Krankenkassen entwickelt und werden teilweise sogar bereits bezuschusst. Des Weiteren machen ganzheitliche Gesundheitsangebote, wie Ernährungsberatung, Wellness & Sauna, Massagen, Stressmanagement-Programme u.v.m. Sinn. Diese Ansätze fördern ein ausgewogenes Leben und unterstützen Mitglieder dabei, sowohl körperlich als auch mental gesund zu bleiben.
4. Wie sieht mein Betreuungskonzept für diese Zielgruppe aus?
Es muss klar definierte Betreuungsabläufe geben, um zielführende Gesundheits- und Fitnessprogramme anbieten zu können. Entgegen aktuellen Trends in der Branche, bei denen sämtliche Studioabläufe in Fitnesseinrichtungen automatisiert werden sollen, um den Trainer zu ersetzen, muss bei dieser Zielgruppe der persönliche Kontakt im Fokus stehen. Diese Zielgruppe braucht den wiederkehrenden persönlichen Kontakt und gezielte Ansprachen, also einen hohen Grad an individueller Betreuung. Zum Start der Mitgliedschaft steht sicherlich ein umfangreiches Eingangsgespräch, um wichtige Informationen, zu Vorerkrankungen und Einschränkungen, Vorlieben und Trainingserfahrungen zu sammeln. Es sollte ein seröser Eingangscheckup folgen, um sich einen vernünftigen Überblick, über Muskelstatus, Dysbalancen und Herzkreislaufleistung zu verschaffen.
Es muss definiert sein, ich welchen Abständen Re-checks erfolgen. Regelmäßige Einzelgespräche für etwaige Rückfragen und Feinjustierungen der Zielerreichung und einem Abgleich des erreichten sollten fester Bestandteil der weiteren Betreuung sein. Abgestimmt auf Einschränkungen, Checkergebnissen und den persönlichen Zielen erfolgt dann eine Zusammenstellung eines Trainingsplans und eine Auswahl an passende Kursen und sonstigen Angeboten. Selbstverständlich werden die Trainingspläne regelmäßig überprüft und angepasst. Dies ist nur ein grobes Beispiel, ein gutes Betreuungskonzept, kann natürlich noch deutlich mehr beinhalten, nur viel weniger sollte es nicht sein. Ist dieser Aufwand zu groß oder nicht umsetzbar, dann wird es nicht gelingen, die Zielgruppe dauerhaft an die Einrichtung zu binden. Es gibt und wird auch kein Gerät geben, dass diesen Part übernimmt. Es ist ein gutes Beispiel, warum KI und sonstige digitale Trends den Trainer niemals vollständig ersetzen werden, weil genau dieser persönliche Kontakt so wahnsinnig wichtig ist.
5. Habe ich die digitalen Voraussetzungen, um meine Betreuungsphilosophie umzusetzen?
Ein sehr wichtiger Punkt für den langfristigen Erfolg: all die erfassten Daten und Informationen müssen sinnvoll mit einer guten Business-Software aufbereitet und kategorisiert werden. Leider gibt es in Fitnessanlagen zahlreiche digitale Sackgassen und Insellösungen, in denen wichtige Daten verloren gehen. Ein zentrales CRM, in dem sämtliche Informationen, im besten Fall automatisiert gespeichert werden ist zeitersparend und zielführend in der Betreuung. So können z.B. Antworten aus dem Eingangsgespräch automatisch zu Schlagwörtern und Kundenprofilen genutzt werden. Dokumente werden zentral abgelegt, Produkte und Dienstleistungen können dem Kunden zugebucht werden. Über Filterfunktionen können Gruppen gebildet werden und gezielte Ansprachen erfolgen, z.B. alle Mitglieder mit Schulterproblemen bekommen eine Einladung zu einem speziellen Workshop usw.
Eine gute integrierte Trainingsplanung, sowie ein umfangreicher Bereich für individuelle Anamnesen und Checkups ist ein Muss. Denn eine zusammenfassende, übergreifende Bewertung und Gewichtung der Testergebnisse ist eine gute Grundlage für den Trainer, die Testergebnisse zu vermitteln und zu erklären. So ist auch gewährleistet, dass alle Anwender, ob Trainer oder Therapeut mit den wichtigen Informationen versorgt werden.
Eine gute Mitglieder-App rundet das digitale Angebot ab und bietet Trainern und Therapeuten alle wichtigen Tools zur professionellen Steuerung der Betreuung. Die App muss dem Mitglied das Training vereinfachen und es automatisch dokumentieren. Das Wohlbefinden für ein Training lässt sich auch abfragen. So erhält der Trainer oder Therapeut auch eine persönliche Rückmeldung zur Dosierung des Trainings. Natürlich können auch kleine Workouts für die Bettkante zur Verfügung gestellt werden. Weitere Services wie die Übermittlung von News, die Erinnerung an Termine und Training, die Buchung und Anmeldung von Leistungen, runden das digitale Angebot ab.
Mit der Digitalisierung bieten viele Fitnessstudios auch Online-Plattformen bzw. Zugänge, die es den Mitgliedern ermöglichen, ihre Trainingsfortschritte zu verfolgen, Ernährungspläne und Trainingspläne einzusehen und an virtuellen Trainingssessions teilzunehmen. Diese digitalen Angebote erweitern die Reichweite und den Einfluss der Studios.
Positive Begleiterscheinung
Sind die Voraussetzung im Bereich Personal, Konzept und Digitalisierung geschaffen, kann ich mein Angebot um Firmenfitness und „Betriebliche Gesundheitsförderung erweitern“. Die Zusammenarbeit von Fitnessstudios mit Unternehmen ist weiter im Trend. Die Nachwehen der Pandemie und die Begleiterscheinungen, wie Homeoffice und geschwächte Immunsysteme, lässt die Nachfrage nach guten Angeboten steigen. Wie auch bei der Zielgruppe der „Silver Ager“, braucht es für ein erfolgreiches Angebot gutes Personal, ein gutes Konzept und eine starke digitale Infrastruktur. Programme, die die Gesundheit der Mitarbeiter verbessern, Krankenstände reduzieren und die Produktivität der Mitarbeiter steigern, sind auch kein Selbstläufer. Den die Mitarbeiter, die den höchsten Bedarf haben, freuen sich nicht über eine subventionierte Mitgliedschaft ihres Arbeitgebers, sondern hier brauch es etwas mehr.
Fazit
Die Entwicklung vom reinen Fitnessstudio hin zu einem umfassenden Gesundheitsanbieter spiegelt den wachsenden Bedarf und das steigende Bewusstsein für eine ganzheitliche Gesundheit wider. Allerdings müssen spezielle Voraussetzungen geschaffen werden, denn es ist kein Selbstläufer! Fitnessstudios, die diesen Ansatz verfolgen, können ihren Mitgliedern nicht nur dabei helfen, fit zu bleiben, sondern auch eine langfristige Gesundheit und ein höheres Wohlbefinden zu fördern.